Leben mit dem Regengott
Alle Jahre wieder:
Mit bevorstehendem Beginn des meteorologischen Sommers und nunmehrigem zu-Ende-Neigen der arbeitsreichen Frühjahrssaison kann folgendes resümierend festgestellt werden: Im heurigen Jahr wurden bisher alle über Generationen aufgestellten Wetterregeln der Reihe nach gebrochen. Vom Wetter, versteht sich. Das Wetter war unfolgsam, es hielt sich lediglich an eine der wichtigsten Bauernregeln, die da lautet: Regnet es zur kalten Sophie, also am Tag der letzten Eisheiligen, wird es 40 Tage lang regnen.
In der Tat. Es regnet. Es hat auch jeden einzelnen Tag seit dem 15. Mai geregnet, oder besser geschüttet, zumindest hier am Rande des Steinfelds, und fünf Mal war auch Hagel dabei. Es ist, als ob Douglas Adams Regengott Rob McKenna in die Gegend übersiedelt wäre und zu bleiben gedächte. In „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“, der wunderbar absurden „vierbändigen Trilogie in fünf Teilen“ des Briten, taucht Rob als vom Regen verfolgter Lastwagenfahrer auf. Wo auch immer er sich aufhält regnet es. Denn Rob McKenna ist, ohne es zu wissen, ein Regengott, und die Wolken folgen ihm, weil sie ihn lieben und in seiner Nähe sein wollen, „um ihn zu streicheln und zu tränken“. Die Realität ist freilich weniger lustig, insbesondere für Leute, die gerade dabei sind, den Schlamm aus ihren Wohnzimmern und Kellern zu schaufeln, oder die am Rande ihrer überfluteten Felder stehen, auf denen man derzeit im Sautrog Wettpaddeln veranstalten könnte.
„Es greift nicht ein!“
In jenem Sautrog, über den sich viele Generationen von Schweinen meiner Urahnen grunzend beugten, wachsen nun Hortensien, und denen gefällt die Witterung gut. Auch die Farne gedeihen besser denn je. Nicht so freilich der Gemüsegarten. Die Karotten, die Wurzelpetersilie und die Gelben Rüben, das noch junge Basilikum und die Zwiebelsaat sind erst im Schlamm versunken und dann ertrunken, zumindest ihre oberirdischen Reste haben wenigstens noch den Schnecken geschmeckt. Die finden sich überhaupt seit Wochen in einer Art Schlaraffenland wieder, in dem ihnen, von wasserscheuen Gärtnern unbehelligt, sozusagen der Salat in die ewig malmenden Mäuler wächst.
Doch mit dem Wetter und den Bauern, wie auch den Gärtnern hat es seine eigene Bewandtnis, und die einzige wirklich ewig gültige Wetterregel lautet: Das Wetter passt nie. Schon der Urahn, er ruhe in Frieden, pflegte sich insbesondere bei beginnenden milden Sommergüssen nach langen Trockenphasen sofort mit dem Gartenschlauch in der Hand in die Pflanzungen zu begeben, denn ein Blick gen Himmel reichte ihm um festzustellen, dass dieses magere Gewölk da oben niemals ausreichen würde, um den Garten anständig zu gießen.
„Es greift nicht ein“, pflegte er zu murren, den himmlischen Schleusen misstrauend und lieber eigenhändig für durchdringende Güsse sorgend. Dieser Tage hätte selbst er bekennen müssen, dass es mächtig eingegriffen hat. Noch scheint sich besagter Rob McKenna in der Gegend zu befinden, denn es regnet weiter. Die Rosenblütenknospen verfaulen, bevor sie sich öffnen, die Blütenstauden in den Rabatten liegen niedergeschlagen im Gatsch. Die Nachbarin bindet sie liebevoll auf, gibt ihnen neuen Halt mit Stäben, verteidigt sie gegen Mollusken. In den kurzen Regenpausen blickt sie besorgt um sich. Die ungewöhnliche Feuchtigkeit des gesamten Frühjahrs hat die Pflanzen so dermaßen ins Kraut schießen lassen, dass sie sich große Sorgen macht, wenn sie an die unweigerlich bevorstehenden Trockenphasen heißer Sommerwochen denkt.
Wie sollen die das überleben? Wie wird das alles zu dergießen sein? Die Witterung wird, und das steht jetzt bereits fest, auf jeden Fall widrig sein. Da muss der Gärtner durch. Alle Jahre wieder.
Erschienen in der Presse