31.12.2023

03 Wintermücken

In der Zwischenwelt von Tag und Nacht beginnt ein lautloses Spektakel: Die Wintermücken steigen zu ihren Tänzchen auf.

Ein Spaziergang über die winterlichen Felder, den Rain entlang bis zum Waldrand. Klare, stille Luft. Ein trockenes Plätzchen unter einer Föhre. Im nadeligen Gras kann man Platz nehmen und auf den Sonnenuntergang warten, auf den schmalen Zeitraum, in dem die Welt für ein paar Augenblicke vergoldet ist. Das allein ist schon hübsch anzuschauen, vor allem aber leuchtet das schräge Gegenlicht ein Phänomen aus, das ansonsten so gut wie unsichtbar ist:

In der Zwischenwelt von Tag und Nacht spielt sich das lautlose Spektakel ab – die Wintermücken beginnen ihren Tanz. Wie unzählige winzige Luftgeister steigen sie in Schwärmen auf und ab, zeichnen Schleifen und Schlieren vor der Kulisse der Abendsonne und schwirren in einem einzigen riesigen Flimmern. Der Zauber stiebt mitunter auf wie feiner Rauch, der sich da verdichtet und dort wieder lichtet, die Luft wirkt wie ein Körper, der gesättigt scheint von filigranem Leben.

Kaum ein anderes Insekt ist jetzt noch unterwegs in der Kälte, und auch die Wintermücken tanzen nur, wo zwischen den abgeernteten Feldern noch Hecken stehen, wo Schlehen wachsen und knorriger Weißdorn. Wo der Rain nicht abgemäht ist bis zur Krume finden sie noch Lebensraum. Die Larven leben unter dem Laub und verdauen es zu Humus, die erwachsenen Mücken feiern oben Hochzeit, selbst wenn Schnee liegt.

An solchen Abenden erkennt man die Wüsten und Oasen der Insekten in der Landschaft, die ansonsten kaum sichtbar werden für unsereiner. Sie zeichnen eine dreidimensionale Landkarte in den Raum. Über den Stoppelfeldern ist es still und leer, und auf den abgemähten Rain-Streifen dazwischen ebenso. Man könnte auch sagen, dort wurde das Leben abgeschnitten.

Wintermücke Trichoceridae

Wozu überhaupt diese „lästigen“ Mücken?

Die Winzlinge sind, neben vielen anderen Kleinen, die Basis. Von Mücken, Fliegen und ihren Larven nähren sich Spinnen, Amphibien, Fledermäuse, Libellen, Vögel, Fische.

Die wenigsten von ihnen stechen, sie saugen lieber Nektar und bestäuben sogar manche Blüten, wie etwa die des Kakaobaums.

Es gibt erstaunlich wenige Links und Filmchen zum Mückentanz, aber zwei wurden gefunden:

Projekt das_kleine_leben

Was wäre ich ohne meine kleinen Freunde?

Ohne Hummeln, Pelzbienen und Bachforellen, ohne Kreuzspinnen, Igel, Rotkehlchen, Bussarde?

Das ist die Frage, und das Projekt das_kleine_leben sucht die Antwort. Ein Jahr lang und darüber hinaus.